Museum im alten Zeughaus
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Second life …? Second life!: Einst war´s das „Kühlhaus“ im Dorf. Heute ist es das Römerzeitliche Museum Ratschendorf – und das vielleicht kleinste archäologische Museum Österreichs

Römermuseum-Ratschendorf, Renovierung 1990
Römermuseum-Ratschendorf, Renovierung 1990
Das „Kühlhaus“, das heute als Römerzeitliches Museum Ratschendorf in einer Geschichte und Kultur vermittelnden Funktion sowohl für die Dorfgemeinschaft als auch für seine Besucherinnen und Besucher „weiterlebt“
Das „Kühlhaus“, das heute als Römerzeitliches Museum Ratschendorf in einer Geschichte und Kultur vermittelnden Funktion sowohl für die Dorfgemeinschaft als auch für seine Besucherinnen und Besucher „weiterlebt“


Die Interessentenliste aus dem Jahr 1958 umfasst 57, die Liste der Mitglieder der Tiefkühlgemeinschaft Ratschendorf 1958/59 schließlich 62 Namen. 1974 wird die Tiefkühlgemeinschaft aufgelöst – aber nicht ganz: „Nach beschlossener Auflösung der Kühlgemeinschaft Ratschendorf, wird beabsichtigt, den Vorkühlraum auch weiterhin in Betrieb zu belassen. Wer für weiterhin interecsiert ist, mitzutun, der muß mit seiner eigenen Unterschrift mit ja oder nein bestätigen.“ (Zit). 1979 schließlich wird die Tiefkühlgemeinschaft Ratschendorf endgültig aufgelöst. 

Die folgenden zehn Jahre verbringt das Objekt „Kühlhaus“ in einem Dornröschenschlaf, bis es schließlich, am 6. Mai 1990, im Rahmen eines Festtages, an dem die gesamte Dorfgemeinschaft mitgestaltet, mitarbeitet und mitfeiert, als – second life! – Römerzeitleiches Museum Ratschendorf wachgeküsst wird.

Das Römerzeitliche Museum Ratschendorf 

Mit der Errichtung des Museums konnte das funktionslos gewordene und leerstehende Kühlhaus der Gemeinde vor dem Abriss bewahrt werden und „lebt“ jetzt in einer neuen wiederum auf die Gemeinschaft der Menschen vor Ort bezogenen Funktion weiter. Das von der Kulturinitiative Ratschendorf und mit tatkräftiger Unterstützung der Bevölkerung im ehemaligen Kühlhaus der Gemeinde eingerichtete Museum beeindruckt allein schon durch seine architektonische Gestaltung. 

Das Museum besteht aus einem großen bis zum Dachstuhl hin offenen Ausstellungsraum, in dessen Zentrum ein in Originalgröße rekonstruierter und begehbarer (!) Grabhügel aus dem nahe gelegenen Gräberfeld „Hügelstaudach" platziert ist. Er gibt einen Einblick in die in seinem Inneren angelegten insgesamt fünf Bestattungen. Vermutlich war es wohl eine einheimische Familie, die im Laufe des 1. bis 2. Jahrhunderts n. Chr. ihre Verstorbenen beigesetzt hat. Hier finden sich drei Brandschüttungsgräber sowie je ein Brandgrubengrab und eine Brandschüttung in einer, heute freilich nicht mehr erhaltenen, Holzkiste, die mit den typischen Grabbeigaben in Form von „Speiseservices“ ausgestattet sind.

Die Originale der in der Grabhügelrekonstruktion als Repliken postierten Gefäße – Dreifußschalen, Töpfe und Becher – sind in der Doppelvitrine an der nördlichen Schmalwand des Raums zu sehen. Dort ist, rechts neben der Vitrine, auch eine römische Hand(dreh)mühle mit Läufer- und Bodenstein, wie sie zum Mahlen von Getreide verwendet wurde, platziert. Auf Schautafeln werden Informationen zur Landwirtschaft, zur Verbreitung norisch-pannonischer Hügelgräber und zur Tracht der Zeit gegeben. Zusammen mit weiteren, zum Großteil bei den Grabungen der Jahre 1987/88 im „Hügelstaudach“ geborgenen Funden vermitteln sie ein anschauliches Bild vom Leben der einheimischen keltischen Bevölkerung in römischer Zeit. Aufschlussreich sind die Informationen zu archäologischen „Hilfswissenschaften“ wie Anthropologie und Dendrochronologie. 

Ein kleines Museum als Ausgangspunkt vielfältiger musealer Vernetzung und Zusammenarbeit

Blick in das Museum, im Vordergrund der rekonstruierte Grabhügel mit seinen fünf Bestattungen
Blick in das Museum, im Vordergrund der rekonstruierte Grabhügel mit seinen fünf Bestattungen
Mitglieder der Arge Museen, Sammlungen, Archäologie im Steirischen Vulkanland besuchen das Museum
Mitglieder der Arge Museen, Sammlungen, Archäologie im Steirischen Vulkanland besuchen das Museum


Wie schon sein Name verrät, legt das Römerzeitliche Museum Ratschendorf den Fokus auf die „Römerzeit“, also den Zeitraum von kurz vor der Zeitenwende bis etwa 400 n. Chr. Es wurde, ebenso wie das Hallstattzeitliche Museum Großklein, im Rahmen des Begleitprogramms der steirischen Landesausstellung 1990 gegründet und gleichzeitig mit diesem eröffnet. Das Gemeinsame, auf das im Zuge des vernetzten Programms der Landesausstellung besonderer Wert gelegt worden war, erwies sich auch als wichtiger Aspekt zukünftiger gemeinsamer Aktivitäten: Das kleine Ratschendorfer Museum, das ehrenamtlich geleitet und geführt wird, ist seit seiner Gründung Ausgangs- und Kristallisationspunkt vielfacher Zusammenarbeit zwischen Museen und Sammlungen. Das Museum ist Gründungsmitglied von Museumsverbänden und Arbeitsgruppen und gilt heute als geschätzter Partner und Vermittler in einem über den regionalen Bereich hinausgehenden Kontext.

Ein „ausgezeichnetes“ Museum

Das Römerzeitliche Museum Ratschendorf wurde mehrfach ausgezeichnet, so mit der „Geramb-Medaille für gutes Bauen“, der „Erzherzog-Johann-Medaille“ und der „Ehrenmedaille der Republik Österreich für besondere Verdienste um den Denkmalschutz“. 2007 wurde der vom Museum initiierten ArGe Museen und Sammlungen im Steirischen Vulkanland der Titel „Beste Volkskulturinitiative der Steiermark“ verliehen und 2012 das ebenfalls vom Museum ausgehende Projekt Archäologie im Steirischen Vulkanland mit dem „Anerkennungspreis zum Erna-Diez-Preis“ der Historischen Landeskommission für Steiermark ausgezeichnet. Diese Auszeichnungen sowie das anhaltende Interesse der Besucherinnen und Besucher des vor nunmehr 30 Jahren errichteten Museums bezeugen, dass mit der kompromisslosen Umsetzung der mit der Errichtung des Museums verbundenen sozialen, architektonischen, künstlerischen, didaktischen und nicht zuletzt den Prinzipien der Nachhaltigkeit verpflichteten Standpunkte und Zielsetzungen ein guter Weg eingeschlagen wurde. 

Funde aus dem im Museum rekonstruierten Tumulus: 2 Töpfe, eine Dreifußschale, ein Faltenbecher, Schalen und Näpfe, alle 2. Jh. n. Chr.
Funde aus dem im Museum rekonstruierten Tumulus: 2 Töpfe, eine Dreifußschale, ein Faltenbecher, Schalen und Näpfe, alle 2. Jh. n. Chr.
Dreifußschale mit Deckel aus dem im Museum rekonstruierten Tumulus, 2. Jh. n. Chr.
Dreifußschale mit Deckel aus dem im Museum rekonstruierten Tumulus, 2. Jh. n. Chr.
Glasschüssel aus dem im Museum rekonstruierten Tumulus, 2. Jh. n. Chr.
Glasschüssel aus dem im Museum rekonstruierten Tumulus, 2. Jh. n. Chr.


Ausblick

Bereits 2020 hätte das Museum sein 30-jähriges Bestandjubiläum feiern sollen. Verschiedene Umstände ließen das jedoch nicht zu. Es ist beabsichtigt, dieses Fest im Jahr 2023 zum 33-jährigen Bestehens des Museums nachzuholen. Bis dahin ist einiges in Planung: So sind nach 32 Jahren sanierende Maßnahmen am Museumsbau an sich vorzunehmen. Dabei wird zu beachten sein, dass das Museum sowohl in seiner architektonischen Gestaltung als auch in der Gestaltung seiner Einrichtung im Sinne des Funktionalismus konzipiert ist. „Form follows function“ war die Leitlinie, anhand der Architekt Dietrich Ecker zusammen mit dem Autor dieses Beitrags das Museum geplant hatte. Da der Museumsraum nur 55 m² umfasst, können hier keine Sonderausstellungen gezeigt werden. Dennoch sollen bis 2023 einige Änderungen vorgenommen werden, die natürlich den Grundsätzen des ursprünglichen Konzeptes, soweit es die architektonische Ausgestaltung des Museums betrifft, entsprechen müssen. 

Das Museum als Initiator und Träger regionaler Forschung

Darüber hinaus fördert das Museum die regionale archäologische Forschung. So konnte z. B. vor Kurzem, nach einer Meldung zweier archäologisch interessierter Ratschendorfer, von der Abteilung Archäologie und Münzkabinett des Universalmuseums Joanneum ein römischer „Münzschatz“ ‒ 50 wohl in einer existenziellen Notlage in einem Topf verborgene Münzen ‒ geborgen werden. Die im Rahmen der Grabung entdeckten Bereiche mit verziegeltem Lehm und Holzkohle weisen darauf hin, dass hier möglicherweise auch der Randbereich der seit Langem gesuchten, zum Hügelgräberfeld gehörenden Siedlung gefunden wurde. Seit nunmehr 25 Jahren werden Teile des Wäldchens, in dem sich noch 34 mehr und weniger gut sichtbare Hügelgräber erhalten haben, gepflegt und für 2023 ist hier die Einrichtung einer „Außenstelle“ des Museums geplant. 

(Kopie 1)

Schülerinnen und Schüler mit den vom Museum zur Verfügung gestellten Arbeitsheften im Museum
Schülerinnen und Schüler mit den vom Museum zur Verfügung gestellten Arbeitsheften im Museum
Die am Sommercamp des Römerzeitlichen Museums Ratschendorf teilnehmenden Kinder besuchen das Museum und eine Grabung im „Hügelstaudach“.
Die am Sommercamp des Römerzeitlichen Museums Ratschendorf teilnehmenden
Kinder besuchen das Museum und eine Grabung im „Hügelstaudach“.

"Fußnote"

Das Zitat und die Informationen zum ersten Absatz dieses Beitrags stammen aus einem kleinen Konvolut von Rechnungen, Mitgliederlisten und Protokollen zur Tiefkühlgemeinschaft Ratschendorf aus dem Archiv Franz-Josef Schober, Ratschendorf.
Weitere Informationen: www.roemermuseum-ratschendorf.at 

© alle Fotos und Texte: Heinz Kranzelbinder