Museum im alten Zeughaus
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Tiefkühlgemeinschaft Radkersburg

Das ehemalige Kühlhaus der Radkersburger Tiefkühlgemeinschaft steht versteckt zwischen dem Autohaus Majcan und dem Parkplatz, der sich neben dem Drauchenbach befindet. Das Gebäude ist in einem desolaten Zustand, Teile des Dachstuhls sind eingestürzt. Wenn man die Radkersburger Zeitzeugen nach dieser Einrichtung befragt, dann wird gleichzeitig die „Leinwandbleiche“ am Bach erwähnt. Dort gingen die Kinder baden, während die Mütter die gewaschene Wäsche im glasklaren Bach schwemmten und danach auf langen Wäscheleinen zum Trocknen aufhingen.

Die Initiative für den Bau der Gemeinschaftskühlanlage ging Mitte der 1950er Jahre von der Raiffeisenbank Radkersburg unter Geschäftsführer Karl Amhäuser und Obmann Franz Puntigam aus. Erster Obmann der Tiefkühlgemeinschaft Radkersburg war Johann Markowitsch sen.

Die Raiffeisenkasse Radkersburg in der Langgasse 51 in den 1950er Jahren. MiaZ
Die Raiffeisenkasse Radkersburg in der Langgasse 51 in den 1950er Jahren. MiaZ


Hermann Probst wohnt in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Kühlhaus in der Dr. Kamnikerstrasse und erinnert sich:

„Für das Kühlhaus stellte die Gemeinde Radkersburg den Grund zur Verfügung. Wir bezahlten beim damaligen Geschäftsführer der Raiffeisenkasse, Karl Amhäuser, unsere jährlichen Beiträge. Herr Johann Markowitsch sen. war Obmann der Tiefkühlgemeinschaft. Altneudörfl war am Anfang auch dabei. Immer wenn die Bauern ein Schwein geschlachtet haben, kam das Fleisch ins Kühlhaus. Das Einfrieren war viel Arbeit, dabei war es immer kalt. Das Fleisch kam zuerst in den Vorfroster und danach ins Kühlfach. Unsere Familie hat vier- bis fünfmal im Jahr abgestochen. Wir hatten zwei Kühlfächer, jedes Fach hatte eine Nummer sowie den Schlüssel dazu. Frau Wogrolly, die nebenan wohnte, hatte den Schlüssel für das gesamte Kühlhaus. Am Morgen wurde aufgesperrt und abends wieder geschlossen. Beim Einfrieren traf man immer viele Leute und so wurde getratscht und Neuigkeiten wurden ausgetauscht.“

Marianne Zangger erinnert sich gut an die Zeit, in der das Kühlhaus noch in Betrieb war. März, 2022. Foto MiaZ
Marianne Zangger erinnert sich gut an die Zeit, in der das Kühlhaus noch in Betrieb war. März, 2022. Foto MiaZ
Die Radkersburger Tiefkühlanlage hat schon bessere Zeiten erlebt, März 2022. Foto MiaZ
Die Radkersburger Tiefkühlanlage hat schon bessere Zeiten erlebt, März 2022. Foto MiaZ


Auch die Schwester von Hermann Probst, Marianne Zangger, weiß einiges zu berichten: 

„Wenn wir zu Hause ein Schwein abgestochen haben, wurde offiziell ein Zettel an der neben dem Haus stehenden Linde aufgehängt mit der Aufschrift Ausschrotung, Zeit und Ort wurden auch angegeben und die Leute konnten so Fleisch aus dem Hause Probst erwerben. Der Rest vom Fleisch wurde portioniert und paketiert. Es wurde dann in einem gemieteten Fach des Kühlhauses gelagert.“

Günther Zweidick erinnert sich nicht so gerne an seine Besuche beim Kühlhaus. Seine Eltern hatten auch ein Kühlfach. Er musste als Kind mitkommen und draußen warten. Nachdem die Eltern warme Jacken angezogen hatten, verschwanden sie im Kühlraum. Damit es drinnen kühl bleibt, wurden natürlich alle Türen schnell geschlossen. Er musste aus sicherheitstechnischen Gründen draußen warten. Denn sollte im Fall eine Tür von Innen nicht mehr aufgehen und das Kühlhaus nicht mehr verlassen werden können, dann wären sie erfroren, wenn er nicht rechtzeitig Hilfe geholt hätte oder selbst die Tür aufbrachte. In dieser Zeit des Wartens verspürte er immer die Befürchtung, es könnte etwas Schlimmes passieren.

Hinter diesem Gebäude in der Dr. Kamnikerstrasse versteckt sich die Radkersburger Tiefkühlanlage, Hochwasser, 1971. Foto Bund Radkersburg
Hinter diesem Gebäude in der Dr. Kamnikerstrasse versteckt sich die Radkersburger Tiefkühlanlage, Hochwasser, 1971. Foto Bund Radkersburg
Holztüre mit Werbeaufschrift der Firma Trattner, Detail. Aus dem Innenleben der Tiefkühlanlage Radkersburg, März 2022. Foto MiaZ
Holztüre mit Werbeaufschrift der Firma Trattner, Detail. Aus dem Innenleben der Tiefkühlanlage Radkersburg, März 2022. Foto MiaZ


Interessant ist auch, dass Bewohnerinnen und Bewohner anderer Gemeinden Mitglieder bei der Radkersburger Tiefkühlgemeinschaft waren. Beispielsweise mietete Familie Gomboc aus Zelting, wo es eine solche Einrichtung nicht gab, ein Kühlfach. Seppi Gomboc erzählte uns Folgendes: „Herr Koschar hat bei uns im Dorf abgestochen. Er ging von Haus zu Haus. Das meiste Fleisch wurde dann in Verhackert oder Schmalz eingelegt. In einem Holzbottich im Keller wurde das gelagert. Also zuerst eine Schicht Verhackert, dann eine Schicht Fleisch, dann wieder Verhackert usw. usw. Einen kleinen Teil, vor allem Würstl, haben wir im Kühlhaus in Radkersburg eingekühlt. Als Schulbub habe ich das immer am Heimweg abgeholt. Meistens aber nach der Kirche am Sonntag, denn Fleisch war eher selten am Tisch, nur an besonderen Tagen. Wie ich klein war, habe ich das Gefrorene zu Fuß nach Hause getragen, im geflochtenen Körberl, mein Vater hat ja so schöne gemacht. Das waren so vier Kilometer. Später bin ich dann mit dem Rad gefahren. Ich erinnere mich, dass auch Fächer aufgebrochen wurden und Fleisch gestohlen wurde. Das war immer eine Aufregung!“

Heute ist das Gebäude der ehemaligen Tiefkühlgemeinschaft Radkersburg im Besitz der Stadtgemeinde Bad Radkersburg. Es wäre schön, diesem Häuschen wieder Leben einzuhauchen, um es einer neuen Nutzung zuzuführen. Oder warum nicht seiner alten? In Zeiten wie diesen sind gemeinschaftliche Nutzungen von unterschiedlichen Einrichtungen zukunftsweisend. Gleichzeitig sind Orte der Kommunikation für Menschen überlebenswichtig. 

Der Schriftzug Tiefkühlanlage auf der Fassade des Gebäudes ist nur mehr fragmentarisch erhalten, März 2022. Foto MiaZ
Der Schriftzug Tiefkühlanlage auf der Fassade des Gebäudes ist nur mehr fragmentarisch erhalten, März 2022. Foto MiaZ
Kühlfächer in der Radkersburger Tiefkühlanlage, März 2022. Foto MiaZ
Kühlfächer in der Radkersburger Tiefkühlanlage, März 2022. Foto MiaZ


Text: Beatrix Vreca